Kurzfassung:
Die damals zehnjährige Hilal Ercan verschwand am 27.01.1999 in Hamburg-Lurup. Sie hatte ein gutes Schulzeugnis nach Hause gebracht und durfte sich zur Belohnung Süßigkeiten kaufen. Hilal verließ das Mehrfamilienwohnhaus in der Elbgaustraße – seitdem fehlt von ihr jede Spur. Tatverdächtig ist Dirk A., ein verurteilter Kinderschänder, der seine Aussage aber wieder zurückzog.
Der Fall lässt die Polizei nicht ruhen. 20 Jahre nach dem Verschwinden der damals zehnjährigen Hilal Ercan aus Hamburg starten die Ermittler einen weiteren Anlauf, um das Schicksal des Mädchens aufzuklären. „Wir bitten mögliche Zeugen, die sich bislang nicht bei uns gemeldet haben, weiterhin ausdrücklich darum, sich mit uns in Verbindung zu setzen“, sagte die zuständige Kriminalbeamtin Inge Pape zum Jahrestag.
Hilal Ercan verschwand vor 20 Jahren
Hilal Ercan verschwand am 27. Januar 1999 im Stadtteil Lurup im Nordwesten der Hansestadt spurlos unter völlig ungeklärten Umständen. Die Viertklässlerin brachte an diesem Tag ein gutes Zeugnis mit nach Hause. Zur Belohnung bekam sie von ihrem Vater eine D-Mark, von der sie Süßigkeiten kaufen wollte (Anm. VVK: Hilals Vater hat ihr erlaubt so viel Geld zu nehmen wie sie gebraucht hätte, sie nahm aus einer Schüssel voller Kleingeld jedoch nur eine D-Mark um damit „Hubba Bubba“-Kaugummi zu kaufen). Von dem neunstöckigen Hochhaus, in dem die Familie wohnte, waren es nur rund 100 Meter zu dem „Spar“-Supermarkt in dem kleinen Einkaufszentrum Elbgaupassage, einmal über die Straße. Gegen 13.15 Uhr machte sich das Mädchen auf den Weg, der Gemüsehändler in der Passage will sie noch kurz gesehen haben – danach verlor sich ihre Spur. Um 13.22 Uhr wurde in dem Supermarkt eine Packung „Hubba Bubba“, Hilals Lieblingssüßigkeit, für eine D-Mark verkauft, das belegte die Kassenabrechnung des Ladens. Ob es die Zehnjährige war, die die Süßigkeiten bezahlt hat, daran konnte sich die Kassiererin nicht erinnern. Hilal Ercan kam nie wieder zu ihren Eltern zurück. Das Verschwinden der Zehnjährigen gehört bis heute zu den rätselhaftesten Fällen in der Hamburger Kriminalgeschichte.
Für Hilas Eltern Ayla und Kamil, ihren Bruder Abbas und die Schwester Fatma begann eine jahrelange und bis heute andauernde Leidenszeit. 2017 besuchte sie der stern, sie schilderten ihre Verzweiflung: „Für meine Frau und mich ist es immer noch so, als sei es gestern passiert. Genauso schmerzhaft“, sagte der Vater. „Ich bin mit Schmerz aufgewachsen“, ihr Bruder. Ein Bild von ihrer Tochter und Schwester stand nicht in der Wohnung, die Familie hätte das nicht ausgehalten. Persönliche Gegenstände Hilals bewahrte sie in einem Koffer auf.
Dass das Mädchen einfach abgehauen ist, kann sich bis heute niemand vorstellen. Die Eltern nicht, der Bruder nicht, die Schwester nicht und auch die Polizei nicht. „Wir nehmen an, dass Hilal einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist“, sagte Volker Quast, Mitarbeiter der „Cold Case“-Einheit für wieder aufgerollte Fälle dem stern. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Täter Hilal in ein Auto gezerrt und sie zunächst in eine Wohnung oder ein Haus in der Nähe gebracht hat. Möglicherweise wurde sie später vergraben.“
Mysteriöser Anrufer gesucht
Der Verdacht eines Verbrechens kam schon kurz nach dem Verschwinden des Mädchens auf. Zwei Busfahrer beobachteten am 27. Januar 1999 einen großen kräftigen Mann mit rötlichen Haaren, der auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums am Arm eines dunkelhaarigen Mädchens im Alter der Vermissten gezogen hatte. Ganz in der Nähe wurden später die Haarspangen und ein Ohrring Hilals entdeckt – von ihrer eigenen Mutter, die besorgt nach ihrer Tochter suchte. Eine Zeugin sagte der Polizei, sie habe zum Zeitpunkt des Verschwindens die Schreie eines Mädchens gehört.
Nachdem ihre Tochter von dem Süßigkeiteneinkauf nicht zurückkehrte, riefen ihre Eltern Bekannte an, fragten nach Hilal. Ohne Erfolg. Sie meldeten das Kind bei der Polizei als vermisst. Schon gegen 18 Uhr waren Dutzende Beamte in Hamburg-Lurup im Einsatz, suchten nach dem Kind, befragten mögliche Zeugen, verteilten Flugblätter. In den kommenden Tagen wurde die Suche verstärkt: Hundertschaften durchkämmten die Umgebung, eine Sonderkommission wurde gebildet, die Öffentlichkeit im großen Stil ins Boot geholt. Bald kannte fast jeder Hamburger das Gesicht von Hilal Ercan und doch blieb sie wie vom Erdboden verschluckt.
Sechs Tage nach dem Verschwinden kam Bewegung in den Fall. Ein anonymer Anrufer bestellte Ayla und Kamil Ercan zur Christuskirche im Hamburger-Stadtteil Eimsbüttel, sechs Kilometer von ihrem Wohnort entfernt. Er wisse etwas über den Verbleib von Hilal, ließ er die Familie wissen. Doch das Treffen platzte, der Grund war womöglich ein von dem Vermisstenfall unabhängiger Polizeieinsatz in der Nähe der Kirche, der den Mann abgeschreckt haben könnte.Damals hatte ein Tatverdächtiger, Dirk A., ein bereits verurteilter Kinderschänder, der zu diesem Zeitpunkt im geschlossenen Haus 18 in Ochsenzoll einsaß, behauptet, Hilal entführt und getötet zu haben.Bei seinem Geständnis sagte er damals: „Ich habe sie in meinem BMW erwürgt, weil sie meinen sexuellen Wünschen nicht nachgekommen ist.“ Er führte Polizisten zu der Stelle im Volkspark, wo er sie vergraben haben will – und widerrief dort plötzlich seine Aussage.
Belohnung
Für Hinweise, die zur Aufklärung der Tat bzw. zur Festnahme der/des Täter(s) führen, ist eine Belohnung in Höhe von 5.000 Euro ausgesetzt.
Hinweise
Hinweise nimmt die Verbindungsstelle im LKA Hamburg unter der Telefonnummer(040) 4286-56789 oder jede andere Polizeidienststelle entgegen.
Quelle: https://www.stern.de/lokal/hamburg/hilal-ercan-seit-20-jahren-verschwunden–polizei-startet-neuen-anlauf-8549704.html